Wolfgang Kühne wurde 1948 in Marl, Westfalen, geboren. Im Alter von 17 Jahren kam er in Kontakt mit den Zeugen Jehovas und wurde von deren Lehre und Zielstrebigkeit beeindruckt und angezogen.
Nach 38 Jahren als Zeuge Jehovas (1967−2004), davon diente er sogar 32 Jahre lang als Ältester in der Gemeinde in Düren, brachte ihn das Lesen (verbotener) christlicher Schriften zum Nachdenken über die Richtigkeit des gewählten Weges, was letztlich zu der Bekehrung zum Herrn Jesus Christus führte. Ein Interview mit Wolfgang Kühne.
Herr Kühne, wie wurden Sie ein „Zeuge Jehovas“?
Wolfgang Kühne: Ich war 17 Jahre alt und gehörte der evangelischen Kirche an. Eines Tages sah ich, dass sich im Garten unserer Nachbarn im Sommer eine Menge junger Leute versammelte. Auf einmal sah ich unter ihnen einen ehemaligen Schulkameraden. Da hab ich zu ihm gerufen: „Mensch Gerd, was machst du denn hier?“ So erzählte er mir begeistert, dass er zwischenzeitlich bei den Zeugen Jehovas die absolute Wahrheit gefunden habe.
Aber ich hielt ihm entgegen, die evangelische Kirche sei das Richtige. (Obwohl meine Eltern atheistisch geprägt waren, bin ich dennoch mit 8 Jahren alleine in die Kirche gegangen, weil ich damals schon an Jesus Christus geglaubt habe.) So bot Gerd mir an, mich zu besuchen, um mit mir über dieses Thema zu sprechen. Zur vereinbarten Zeit vertieften wir uns in eine, so wie ich damals glaubte, biblische Diskussion.
Die Zielstrebigkeit, mit der er immer wieder sowohl bei Schnee als auch bei Regen gekommen ist, um etwas bei mir zu erreichen und seine Hartnäckigkeit bewunderte ich sehr. Wenn die Zeugen Jehovas aber zu einem kommen, so ist es heute genauso wie damals – vor über 60 Jahren – dass sie mindestens nach dem zweiten Treffen vorschlagen, mit ihnen zusammen ein Buch zu studieren. Das Buch heißt „Was wirklich in der Bibel steht“, aber in Wirklichkeit steht das überhaupt nicht in der Bibel. Dieses Buch haben ihre Leute (Leitende Körperschaft) in Brooklyn/N.Y. aufgesetzt.
Am Anfang steigt man mit einfachen Fragen in ihre Lehre ein und wird im Laufe dieses „Studiums“ immer mehr zur Bewusstseinsveränderung hingesteuert, so dass man zum Schluss des Buches vor die Frage gestellt wird, ob man sich taufen lassen möchte – als Zeichen der Hingabe. Dann erst wird man ein Zeuge Jehovas. Das habe ich damals auch getan mit einem anderen Buch, das heißt „Dinge, in denen es unmöglich ist, dass Gott lügt“.
Dieses Buch habe ich regelrecht verschlungen. Gerd hat zu den Texten Fragen gestellt und ich habe ihm daraus geantwortet und merkte, wie ich immer mehr das Gedankengut der Zeugen Jehovas in mir aufgenommen habe und es auch immer besser fand. Das ist einer der psychologischen Tricks, die die Zeugen Jehovas anwenden. Meine Eltern haben sich „mit Händen und Füßen“ gewehrt, dass ich mich mit den Jehovas Zeugen beschäftige und haben mich für eine längere Zeit nach Italien geschickt.
Aber Gerd hat mir einmal in der Woche einen Brief mit den Abschnitten aus dem Buch abgeschrieben, und ich musste ihm die Antworten zurück schreiben. Er nutzte alle Mittel, damit ich weiter machte. Der Widerstand meiner Eltern wurde immer rabiater, was bei mir zu einer Trotzreaktion führte – nach dem Motto: Jetzt erst recht!
Nach dem Studium des Buches ließ ich mich im Alter von 19 Jahren taufen. In der Taufansprache geht es nicht etwa um die Wiedergeburt als Bedingung für die Taufe, sondern lediglich darum, die Sonderlehren der Zeugen Jehovas zu akzeptieren und um die Anerkennung der leitenden Körperschaft, der man gehorsam sein muss.
Von nun an wurde ich systematisch in die Versammlungen der Sekte eingebunden und in die Gemeinschaft integriert. Ich wurde wie in einer Familie aufgenommen.
Woher stammt die Selbstbezeichnung „Zeugen Jehovas“?
Wolfgang Kühne: Der Text, der als Begründung für den Namen „Zeugen Jehovas“ seit 1933 genannt wird, steht in Jesaja 43,10: „Ihr seid meine Zeugen, spricht der HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr wisst und mir glaubt und erkennt, dass ich’s bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein.“
Aber, wenn wir Jesaja 43,1 lesen, stellen wir fest, wer der eigentliche Adressat ist: „Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Gott sagt selbst: „Israel, ihr seid meine ‚Zeugen’ der alten Zeit!“ Aber wir dürfen auch Zeugen sein! Das lesen wir in Apostelgeschichte 1,8: „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein, zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ Jesus selbst sagt: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“ Also Jesu Christi Zeugen! Das ist der Auftrag von uns Christen!
Der Name Gottes ist in 2. Mose 3,15 überliefert. Aber die Aussprache «Jehova» ist eine künstliche Konstruktion. Wir wissen heute nicht, wie der Name des Ewigen ausgesprochen wurde.
Stimmt es, dass Zeugen Jehovas das Opfer Jesu am Kreuz zwar anerkennen, jedoch durch den Verdienst eigener Werke auf Rettung hoffen?
Wolfgang Kühne: Die Zeugen Jehovas haben eine Lehre, nach der sie glauben, auf der Erde in einem Paradies zu leben. Dann wird ihnen ganz deutlich gesagt: „Ihr müsst euren Pflichten nachkommen; von Haus zu Haus gehen und darüber regelmäßig Berichte abliefern, damit ihr ins Paradies kommt.“ Sie werden darauf ständig geschult, jede Woche. Es gibt keine Lobpreis– und Gebetsversammlungen bei den Zeugen Jehovas.
Alles ist auf Schulung ausgerichtet. Deshalb haben sie auch diese Zielstrebigkeit und natürlich das Denken: „Ich will gerettet werden.“ Das ist nur durch diese Werkgerechtigkeit möglich, wie sie auch die katholische Kirche vertritt. Trotzdem müssen die Zeugen Jehovas aber auch an das Opfer Jesu Christi glauben, damit sie ewiges Leben auf der Erde haben können. Das ewige Leben im Himmel sei jedoch nur für die 144.000 Auserwählten vorgesehen.
Wer sind die 144.000 der Zeugen Jehovas?
Wolfgang Kühne: Dieses Wort der 144.000 stammt aus Offenbarung 7,4. „Und ich hörte die Zahl derer, die versiegelt wurden: hundertvierundvierzigtausend, die versiegelt waren aus allen Stämmen Israels.“
Die 144.000 sind nicht Menschen aus allen Nationen – Amerikaner, Russen, Franzosen, wie es die Lehre der Zeugen Jehovas sagt. Sie bejahen zwar die 144.000, aber die Aussage über Israel verneinen sie. So machen sie einen Teil des Textes ungültig und den anderen gültig.
Weiterhin sagen sie, dass zu diesen 144.000 alle Urchristen und alle Christen aus dem Mittelalter gehören, die auch in den Himmel kommen. In der heutigen Zeit gäbe es nur einen Überrest, also nur ganz wenige, die dazu zählen. Das wären auf der ganzen Erde 9000, die auch gleichzeitig das Abendmahl nehmen dürften.
Aber die Bibel sagt: „Trinkt daraus, ihr alle!“ (Mt. 26,27) Hier wird nirgendwo davon gesprochen, dass dies nur die 144.000 betrifft. Eine Frage, die man Zeugen Jehovas stellen kann, wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, könnte so lauten: „Eine eurer Grundlehren ist doch, dass nur ein Überrest von 9000 vom Abendmahl nehmen darf bzw. die 144.000. Wo steht das? Solch eine wichtige Lehre, dass die anderen davon nicht nehmen dürften, muss doch in der Bibel stehen!“ Diese Frage können sie meist nicht beantworten.
Wer bestimmt, wer zu diesen 144.000 gehört?
Wolfgang Kühne: Die Zeugen Jehovas sagen, der Geist würde es diesen offenbar machen oder derjenige selbst würde das Gefühl haben, er gehört in den Himmel und damit zu Jesus Christus und dürfe einmal im Jahr vom Abendmahl nehmen.
Was bewegte Sie dazu, den Glauben an die Lehren der Wachturm-Gesellschaft zu hinterfragen?
Wolfgang Kühne: Besonders durch die Zeitschrift „Mitternachtsruf“ wurde mir mehr und mehr klar, dass Gott am Ende der Tage wieder mit seinem Volk Israel handeln wird. Dies wird von den Zeugen abgelehnt. Nach ihren Aussagen sind sie selbst das neue Israel Gottes. Aber wieso schreibt dann Apostel Paulus in Römer 11,1: „Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne!“?
Hier wird ganz deutlich: Israel ist nicht verworfen! Ich merkte, dass das Thema der Gunst Gottes gegenüber seinem Volk sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel zieht.
Dann kam die Frage auf, ob alle am Abendmahl teilnehmen dürfen, oder ob nur die sogenannten Gesalbten einmal im Jahr vom Brot und Wein nehmen dürfen, wie es bei den Zeugen Jehovas üblich ist. Ich erkannte aus der Heiligen Schrift, dass die Teilnahme am Abendmahl für einen Christen eine Notwendigkeit ist.
Denn Jesus Christus selbst sagt in Matthäus 26,26 – 29, dass alle aus dem Kelch trinken sollten: „…Trinkt daraus ihr alle!…“ Wenn wir das nicht tun würden, dann würden wir nicht zeigen, dass wir zu Ihm gehörten. So wurde mit der Zeit auch in mir der Wunsch immer stärker, zu Jesus Christus zu kommen und bei Ihm zu sein.
Deshalb nahm ich eines Tages trotz allgemeiner Verwunderung auch vom Abendmahl. Dann wird man automatisch zu den 144.000 gezählt. Dieses Nehmen vom Brot und vom Wein war sozusagen meine Wiedergeburt, weil von da an der Herr Jesus Christus meine geistlichen Augen noch mehr geöffnet hat. So als hätte er mir persönlich gesagt: „Du willst zu mir gehören. Jetzt will ich dir auch zeigen, was wirklich in der Bibel steht.“ Und dann habe ich Stück für Stück immer mehr verstanden.
Ich lernte, dass Christus der Mittelpunkt meines Lebens sein muss und rückte Ihn in meinen Aufgaben und Ansprachen in den Vordergrund. Darauf sagte eine Schwester einmal: „Jesus ist nur Jesus, mehr nicht.“
Das bringt die Einstellung vieler Zeugen Jehovas auf den Punkt. Ich erwiderte, dass Jesus schon der Mittelpunkt sein müsse, denn von Ihm würde ja in der Schrift gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“
Zeugen Jehovas sagen, dass man Jesus Christus nicht ansprechen dürfe. Aber da frage ich mich, wieso Jesus sagt: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid: ich will euch erquicken.“ (Mt. 11,28)
Sie verehren Jesus nicht so wie wir Ihn verehren. Sie verehren nur Gott. Der Schlüsseltext dieser Thematik ist Johannes 5,23: „…damit sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.“ Das bedeutet im Umkehrschluss: so wie der Vater geehrt wird, muss auch der Sohn geehrt werden.
Welche Hinweise und Argumentationshilfen können Sie uns für ein Gespräch mit Jehovas Zeugen geben?
Wolfgang Kühne: Die Bibel nennt keine Daten für das Ende. Zeugen Jehovas haben das aber schon oft getan. 1874, 1914, 1915, 1918, 1925 und auch 1975 ist nichts passiert, so wie sie es gesagt haben. Dann folgte eine neue Festlegung, dass im 20. Jahrhundert alles vorbei sei. Aber das 20. Jahrhundert ist vorbei!
Die Bibel sagt in 5. Mose 18,22: „Wenn der Prophet redet in dem Namen des HERRN und tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der HERR nicht geredet hat. Der Prophet hat’s aus Vermessenheit geredet…“
Zeugen Jehovas haben auch eine andere Auferstehungslehre. 1. Thessalonicher 4,14 – 16 sehen sie nicht so wie wir Christen. Die Entrückung kennen sie nicht. Sie sagen, das gilt für die 144.000. Diejenigen von ihnen, die bis zum Jahre 1914 gestorben sind, seinen bereits auferstanden. Dabei steht in dem zuvor genannten Text, dass die Toten den Lebenden nicht zuvor kommen. „…wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind.“
Ein weiterer Text, der völlig falsch ausgelegt wird steht in Matthäus 24,45 – 47. Das ist der Text, auf den sich Zeugen Jehovas beziehen, wenn sie von den 10 Personen der leitenden Körperschaft bzw. von dem treuen Sklaven sprechen.
„Wer ist nun der treue und kluge Knecht, den der Herr über seine Leute gesetzt hat, damit er ihnen zur rechten Zeit zu essen gebe? Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht. Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen.“
Die Bibel spricht hier nicht von einer Klasse von Menschen, sondern von Einzelpersonen. Deshalb kann jeder ein treuer Sklave Christi sein und dem Auftrag folgen, „Menschen aus allen Nationen zu Jüngern zu machen“ (nach Mt 28,19). Der Text erwähnt nicht eine leitende Körperschaft. Diesen Begriff kennt die Bibel gar nicht.
Ein Text, den die Zeugen Jehovas andauernd gebrauchen, um ihre Veränderungen in der Lehre zu rechtfertigen, finden wir in Sprüche 4,18. „Der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht am Morgen, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag.“ Das Licht wird nicht erst heller, dann dunkler und wieder heller, wie es laut der Zeugen Jehovas passiert. Damit begründen sie, dass auch ihre Erkenntnis erhellt und deshalb immer wieder korrigiert werden muss. Das ist das große Problem der Zeugen Jehovas, dass sie ständig ihre Lehren ändern, so dass es besonders für junge Zeugen Jehovas schwierig ist, zu wissen, was man vor 20 oder 25 Jahren gelehrt hat.
Aber Gott verändert seine Lehren niemals!
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Lebensgeschichte von Wolfgang Kühne ist auf CD im Verlag Mitternachtsruf erschienen. Gute Tipps für den Umgang mit Zeugen Jehovas stehen im Buch Wenn die Zeugen Jehovas an der Haustür klingeln.